Eine Geschichte

 

Wie bei allen Lesern, begann auch mein Leben mit der Geburt. Sicherlich ist es nicht unbedingt hochinteressant, um etwas über mein bisheriges Leben zu schreiben, und doch hat mich der Gedanke bewogen, es hier reinzusetzen. Vielleicht bewegt es den einen oder anderen Leser und er hat davon einen Nutzen.

 

Meine Kindheit erlebte ich in dem schönen Bodersweier in der Nähe der Stadt Kehl am Rhein; die Grenzstadt zu Straßburg.

 

Meinen Vater verlor ich schon in sehr jungen Jahren und sein Tod war sozusagen kein natürlicher. Die Ausdrucksweise “er wurde gestorben", verrät vielleicht die Art seines Todes, aber darauf will ich eigentlich nicht näher eingehen und bleibe bei meiner Geschichte.

Meine Mutter hatte alle Hände voll zu tun, denn mein Vater hinterließ drei Kinder und somit war es nicht einfach für sie, uns und unseren Bedürfnissen immer gerecht zu werden. Alleinerziehend ist dies umso mehr eine fast unmögliche Aufgabe.

 

Ich staune noch heute darüber, wie sie das alles auf die Reihe bekam. Als sie zum zweiten Mal heiratete, wuchs nach wenigen Jahren der Haushalt auf sieben Personen an.

 

Was mich schon sehr früh bewegte, und was mein Denken oft zum Erglühen brachte, war die Frage, die sich wohl schon viele Menschen vor mir gestellt haben. Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Oft lag ich in meinem Bett und grübelte darüber nach. Warum lebe ich? Wo komme ich her? Wo soll ich letztendlich hingehen? Warum starb mein Vater so früh? Gibt es tatsächlich einen Gott, der sich das alles anschaut und keinen Finger rührt, um nur annährend etwas Frieden zu bringen?

 

Solche Fragen können wie ein Tropfen sein, der stetig auf eine Stelle tropft und nach einer Zeit wird es eine Prägung geben. Je länger es dauert, desto tiefer wird die Stelle ein gehöhlt werden. Mein Herz glich solch einer Stelle und ich spürte sowohl eine tiefe Leere als auch eine Einhöhlung von den quälenden Fragen. 

 

Es gab jedoch Momente, in denen ich oft dachte, dass es keinen Menschen auf der Erde gibt, der nur annährend so tief fühlt wie ich. Nun ja, inzwischen weiß ich wohl, das auch du lieber Leser zu diesen Menschen gehörst, die Gefühle haben und sie erleben. Sie können extrem tief und mit Worten oft unbeschreiblich sein. Ich hatte die tiefe Gewissheit schon als Kind, dass es einen Gott gibt, aber wie man Kontakt aufnehmen könnte und ob er überhaupt reden will, war eine müßige Frage, denn meine Gebete schienen eher unerhört, wenn überhaupt gehört.

 

So wuchs ich heran und parallel dazu meine Leere und mein Verlangen nach Angenommen Sein und nach Antworten auf meine Fragen. Ich entdeckte ein herrliches Instrument, um meinen Gefühlen und Gedanken eine Art Ablassventil zu bieten. Es war sozusagen meine erste Liebe. Es war die Musik. So lernte ich mit 10 Jahren Trompete und Schlagzeug spielen. Ich hatte echt Spaß dabei und wünschte mir oft, dass ich frei und ohne Noten spielen konnte, aber dazu fehlte mir die Übung und die Liebe zu dem Instrument Trompete.

 

So kam ich dann auch in das geniale Alter eines Teenys und jeder, der es bereits erlebt hat, oder bereits so alt ist, weiß, wovon ich schreibe. Man ist auf der Suche nach sich selbst und man wird plötzlich erwachsen. Ein komischer Gedanke. Das Leben zuhause viel mir nicht besonders einfach, weil sich auch der zweite "Vater" durch Trennung verabschiedet hatte und ich mich zu einem professionellen Einzelgänger etabliert hatte. Innerlich lebte ich sehr zurückgezogen und meine Familie interpretierte es oft als eine Art Gleichgültigkeit, wobei ich es eher als eine Charaktereigenschaft bezeichnen würde.

 

In der Schule war ich mehr der Spaßvogel. Dahinter versteckte ich meist meine Einsamkeit und auch meine großen Fragen, die stetig und tröpfchenweise mein Herz bearbeiteten.  Natürlich kann ich nicht auf jede Einzelheit eingehen und streife hier auch nur Passagen meiner Kind. - u. Jugendzeit, aber es waren auch Zeiten, in denen ich durchaus sehr viel Gutes lernen durfte, auch wenn mir die Vaterhand oft fehlte, um mehr Standhaftigkeit und Rückgrat zu bekommen. So lernte ich eine große Tugend: "Dankbarkeit!" 

 

Ich erfreue mich noch jetzt an den kleinsten Geschenken und lernte es irgendwie, mich über die Dinge zu erfreuen, die ich hatte und weniger auf die Defizite zu schauen. Unzufriedenheit wächst nur dann, wenn man weiß, dass man etwas haben sollte, was man nicht hat und was die Werbung längst zum Umsatzantrieb macht, konnten höchstens lebenswichtige Dinge in mir erwecken, wie die seelischen Bedürfnisse. Wohlstand und Reichtum waren mir schon immer ein Dorn im Auge. Ich konnte eigentlich gut darauf verzichten, aber die Liebe und deren Instrumente des Ausdruckes waren mir wie eine Quelle zum Leben und ich konnte nie genug davon bekommen, obwohl ich mich gewiss von meiner Mutter geliebt fühlte, war jedoch immer dieses Vakuum im Herzen.

 

Sehr früh begann ich mit dem Rauchen und fand mehr den Geschmack daran, als dass ich die darin verborgene Sucht erkannte, die mich schon nach kürzester Zeit dazu zwang, meinen Konsum auf über eine Schachtel pro Tag zu halten. Ich spürte, dass es mir misslang, diesen Zwang zu brechen. Mein Wille war zu schwach um aufzuhören. Im Vergleich zu den heutigen Preisen wäre es mir damals unmöglich gewesen so viel zu rauchen, aber für knapp 2 DM (ca. 1,02 Euro) konnte man mit dem Taschengeld und sonstigen "Einkommen" durchaus die eine oder andere Packung ohne Ausweiskontrolle aus den Automaten ziehen.

 

Meine Vorliebe zum Hard Rock und später auch zu den weiteren und härteren Richtungen wie Heavy Metal, Speed Metal, Trash Metal und weiß der Geier wie viel Richtungen es inzwischen gibt, wurde mir auch eher zur Last, weil gerade in den Texten vieles aufgeweckt wurde und mich nur noch mehr zum Grübeln brachte. Dazu kam der typische schwere (heavy) Sound, der innerlich mehr aufwühlt als beruhigt.

 

Meine Konfirmation war weniger der "Renner" und ich war zutiefst enttäuscht von dem Geheuchel was mir da entgegenkam, aber auch ich selber war letztendlich ein Betrüger und tat Dinge, von denen ich eher wenig überzeugt war. So war also diese Zeremonie mein letzter Akt und die Kirche sah mich von da an nur noch selten. Ich werde genauso wenig ein Hamburger, wenn ich zum Mc Donalds gehe, als ein Gläubiger oder Christ, wenn ich zur Kirche gehe. Aus die Maus, ich blieb lieber zuhause und war enttäuscht von diesem Gott, von dem ich irgendwie nichts mitbekam.

 

So kam es eines Tages, es war ganz genau der 6. August 1986, da wurde ich in eine Zeltmission eingeladen. Ich ging mit einem Freund mehr aus Neugier und Spaß dahin. Ich dachte noch innerlich, das sind doch Spinner, denen werde ich was erzählen von Gott.

 

Was ich aber dann erlebte, war eher der größte Einschnitt meines Lebens. Schon als ich in das Zelt kam, spürte ich eine unbeschreibliche warme, schier zärtliche und sehr angenehme Atmosphäre. Nun gut, der Ort war okay und ich staunte etwas über die freie Art des Betens und noch mehr über Berichte von jungen Menschen, die von jetzt auf gleich von harten Drogen, Alkohol und Nikotin angeblich frei wurden. Ich sah mich weniger als einen süchtigen Menschen und doch saß ich wie gelähmt auf dem Holzstuhl und wusste eine Sache gewiss. Diese jungen "Prediger" hatten etwas in ihren Herzen, was mir anscheinend noch immer fehlte, und sie hatten ihre Sucht längst im Griff und vielmehr hatten sie eine Beziehung zu diesem Gott, von dem ich bisher wenig mitbekommen hatte.

 

Ich ging nach Hause und legte mich ins Bett. Dann drehten sich die Gedanken wie verrückt und meine großen Fragen kamen wie eine Sammlung von Ketten auf mich. Irgendwie wurde es mir immer banger, denn ich erinnerte mich auch an alle meine Fehler und alle weniger schönen Dinge, die ich bis dahin verbockt hatte. Mit etwa 16,5 Jahren kann das schon sehr viel sein, was man so angestellt hat.

 

Ich starrte auf die dunkle Zimmerdecke und fing an zu reden. Was konnte ich denn verlieren, wenn es diesen Gott wirklich gibt, dann hatte er jetzt die Chance sich mir zu zeigen und wenn es alles nur Mist und Schwindel war, dann wäre es ein Versuch gewesen, wie wenn man sich auf andere Lehraussagen und Philosophien stürzt.

 

Wenn mein Herz eine Bestimmung hat und wenn es eine Quelle gibt, die dieses Vakuum füllen konnte, so war ich bereit, daraus zu trinken und startete einen Versuch. Ich übergab Gott das Kommando und bestand schier darauf, dass er jetzt der Steuermann wird, denn ich hatte eh keinen Plan und vertraute Ihm alles an.

 

Wenn ich es jetzt so niederschreibe, klingt es weniger so mitreißend oder revolutionär, aber mich durchströmte auf einmal ein so wahnsinnig starkes Gefühl von Vergebung und Frieden, - von geliebt sein und von der Gewissheit, dass Er tatsächlich existiert, dass ich stundenlang nur heulte. Es war grade so, als ob jemand einen Schlüssel genommen hätte und in mir was gezündet wäre. Ich schlief irgendwann ein und zwar so fest, wie schon lange nicht mehr.

 

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einer Zufriedenheit und einem Frieden im Herzen, dass ich mich wohl anstellte, als stände ich unter Drogen. Ich spürte seine Gegenwart und dass Er irgendwie von da an wirklich mein Freund war, noch viel mehr ein Vater, wie es ein irdischer nie hätte sein können. Es war wirklich so, als ob man mir zentnerschwere Last genommen hätte und ich sah alles, wirklich alles mit neuen Augen. Ich war wie aufgewacht und alles um mich bekam eine neue Bedeutung und Wertschätzung. Anfangs zweifelte ich etwas an meiner Veränderung, die täglich zunahm und mein Wesen veränderte, aber ich spürte diesen Frieden und diese Liebe, die mir in den Gebeten und durch die Bibel entgegenkam. Ich redete mir da nichts ein und Tag für Tag erlebte ich das wunderbare Privileg, dass Er mir Hilfe gab und zu mir redete in Gedanken, durch sein Wort (die Bibel), durch Menschen, durch die Natur und auch durch Musik.

 

Ich hatte die Gelegenheit, auch mit anderen Menschen zusammen zu sein, die eine Entscheidung getroffen hatten. Es erleichterte es mir sehr, da die Fragen plötzlich sogar zunahmen, nur mit dem Unterschied, dass es endlich Antworten gab, wenn auch nicht auf alle Fragen.

 

...Fortsetzung